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Anmerkungen, Gedanken und Erlebtes zum
Jahrestreffen der Zukunftswerkstätten ZW2004
Aus Ihrer persönlichen Sicht beschreibt
Petra Eickhoff:
Bitterfelder Wege 2004 —
Teil 5
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Nachtbrücke ins Bitter-Feld
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Ritter-Gut – Alles gut?
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Kantige Fragen – große Runde
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Rotation der Gäste – Auf den Zahn gefühlt
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Im Linienbus einer Flut an Geschichte(n) entgegen
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Von der Regio-Land-Tour zur Welt-Raum-Praxis
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Offenes Ende im Bitter-Feld –
neue Anfänge im Lebens-Feld
Im Linienbus einer Flut an Geschichte(n) entgegen
— Samstag, 10.1.2004 nach dem Mittagessen —
Regionalentwicklung und Strukturwandel in "geschundener
Region" – wir erfahren die Region Bitterfeld mit dem
Linienbus. Heidrun Heidecke – 1994-1998 Umweltministerin von
Sachsen-Anhalt – begleitet uns. Mich beeindruckt ihr
Engagement und ihre Fachkompetenz. Aber irgendetwas stört
mein Bild von einer Ministerin.
Was bewegt mich, als wir durch die Industrie-weg- und
-brach-land-schaften fahren? Aufgeräumte Landschaft, damit
sich die Natur von den Belastungen der DDR-Industrie erholen kann.
Hier waren 10.000 Menschen in Lohn und Brot, aber auch untragbaren
Gefahren für ihre Gesundheit ausgesetzt. Die DDR setzte auf
Industrieproduktion und materiellen Wohlstand für alle, der
in den letzten Jahren mit immer mehr Ausbeutung der Ressoucen
einherging. Ich habe hier nicht gelebt, und Umwelt war kein Thema,
das die Bürger zu interessieren hatte. Das war Verantwortung
des Staates. Trotzdem, so erfahre ich, gab es Verweigerung.
In bestimmten Bereichen der Produktion fanden sich keine
Arbeitskräfte mehr, die bereit waren, dort zu arbeiten.
Für diese Bereiche wurden Vietnamesen, Kubaner, Angolaner
ins Land geholt. Sie wurden Chemie-Facharbeiter.
Wir fahren vorbei an Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäuden
aus den 30-er Jahren, als Bitterfeld/Wolfen Industriestandort wurde,
sich IG Farben, später AGFA hier Produktionsstätten
eröffneten. Viele dieser erhaltenswerten Industriedenkmäler
stehen leer. Wir fahren am ehemaligen Kultur- und Kongresszentrum des
VEB Chemiekombinat Bitterfeld vorbei. Hier fand am 24.04.1959 eine
kulturpolitische Konferenz statt, die als Bitterfelder Weg
in die Geschichte der Kulturpolitik der DDR eingegangen ist:
"Auf dem Weg zur 'klassenlosen Gesellschaft' war
in der DDR auch die noch "vorhandene Trennung von Kunst und
Leben" und die "Entfremdung zwischen Künstler und
Volk" zu überwinden." (Lexikon geteiltes Deutschland)
— Das scheint für unser heutiges Verständnis von Kunst
sehr fremd. Und dennoch bleibt das Anliegen der DDR, dass Kultur
breiteren Schichten der Bevölkerung geöffnet wurde und
Künstler die Möglichkeit hatten, in der Produktion Stoff
für ihr künstlerisches Schaffen zu finden. Die kritische
Auseinandersetzung vor Ort hatte durchaus weitreichende Folgen:
"Ein kritisches Theater- und Ausstellungspublikum sowie eine
kritische Leserschaft." ("Leben in zwei Bezirken" –
LISA Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung
und Unterrichtsforschung von Sachsen-Anhalt) —
Einer meiner Schlüsselromane als 17-jährige ist auf den
Bitterfelder Weg zurückzuverfolgen: Franziska Linkerhand von
Brigitte Reimann (nach der Wende in ungekürzter (unzensierter)
Fassung erschienen. ("Brigitte Reiman auf dem Bitterfelder
Weg"). —
Ein Industriedenkmal musste einer geplanten
Müllverbrennungsanlage weichen, erfahren wir. Die Investoren
rissen dieses Haus in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ab. Kein Haus,
keine Anlage.
Dann zur Blauen Bank. Sie wurde als Denkmal errichtet für
diejenigen, die das Hochwasser 2003 von Bitterfeld abgewendet hatten.
Gefluteter Tagebau. Ein starkes Gefühl von Solidarität,
von dem auch die Friseusin am Freitag erzählt hatte. Als das
Hochwasser kam, lernte sie ihre Nachbarn erst kennen; man war im
Gespräch, half sich gegenseitig. Aber jetzt ist wieder alles
wie zuvor. Bedauern in ihren Worten.
Die Umgestaltung der Goitzsche zu einem Kunst-Natur-Projekt
soll helfen, die Region zu einem starken Anziehungspunkt zu machen.
Belegte Brötchen, Glühwein, Kaffee, Tee gibts für
durchgefrorene ModeratorInnen mit Kulisse und Bühne - das
Amphitheater. Ich denke über die "geschundene
Region" nach. Kultur- und Kunstlandschaft gegen Ausbeutung
von Ressourcen. Saubere Luft gegen chemischen Ausstoß.
ABM gegen Lohnarbeit. Und das alles ist folgerichtig?
Zukunftswerkstätten spielen hier keine Rolle. Nicht einer
der Gäste aus der Region hat nachgefragt, ob
Zukunftswerkstätten ihnen nützten könnten.
Es gibt eine regionale Arbeitsgruppe, geleitet von Babett Scurell,
die genau das untersucht: Blockierungen nachhaltiger Entwicklung,
Projekt Blockierter Wandel.
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Bitterfelder Wege 2004 —
Teil 5
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Nachtbrücke ins Bitter-Feld
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Ritter-Gut – Alles gut?
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Kantige Fragen – große Runde
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Rotation der Gäste – Auf den Zahn gefühlt
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Im Linienbus einer Flut an Geschichte(n) entgegen
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Von der Regio-Land-Tour zur Welt-Raum-Praxis
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Offenes Ende im Bitter-Feld –
neue Anfänge im Lebens-Feld
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